Kunst.Wasser.Werk.Geschichte

Das Alte Wasserwerk in Schwerin-Neumühle

Ein Meilenstein in der kommunalen Versorgungswirtschaft war die Errichtung des ersten Wasserwerkes, das am 8. Juni 1890 seinen Betrieb aufnahm. Bis 1954 war es das einzige Wasserwerk, das die Stadt mit Trinkwasser versorgte. Seit 1999 wird Schwerin von zwei neuen Wasserwerken versorgt (Mühlenscharrn, Pinnow). Das alte Wasserwerk in Schwerin Neumühle fiel in einen Dornröschenschlaf - bis sich der Verein Kunst-Wasser-Werk e. V. Ende 2008 den Gebäuden und dem Gelände annahm.

Als Bürgermeister Tackert am 6. Juli 1888
den ersten Spatenstich für das neue Schweriner Wasserwerk tat, konnte er einen Erfolg feiern, für den er über 10 Jahre lang sehr hart gearbeitet hatte. Angesicht der Kosten von nahezu 3 Mio. Mark - damals eine immense Summe für die kleine Stadt - hatte Tackert große Widerstände in der Bürgerschaft zu überwinden gehabt. Bereits 1888 wurden 4 Filterbecken als offene Langsamsandfilter in Freibauweise und der Rohbau des Maschinistenwohnhauses fertiggestellt. 1889 schloss sich der Rohbau des Maschinen- und Kesselhauses einschließlich dazugehörigem Schornstein und Montage zweier Dampfkessel an. 1890 ist es dann geschfft. Zwei der Langsamsandfilter werden durch Kiesfüllung betriebsfertig. Nach einem Probelauf geht das Wasserwerk am 08. Juni 1890 offziell in Betrieb.


 

Historie


22. Juli 1862
Der Weinhändler Wilhelm Jahr stellt im Bürgerausschuss den Antrag zum Bau einer öffentlichen Wasserversorgung, Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bürgerausschuss und Magistrat verhindern zunächst diesen Plan.


1872
Der Neumühler See wird als Wasserbasis für eine Wasserversorgung der Residenzstadt vorgesehen.


1873
Um den Wasserhaushalt des Neumühler Sees zu ermitteln, werden hydrologische Untersuchungen durchgeführt.


1874
65 öffentliche Brunnen von überwiegend schlechter Qualität versorgen die Stadt mit Trinkwasser.


1880
Am 15.10.1880 erhält der auch als Gutachter und Projektant tätige Direktor der Berliner Wasserwerke, Henry Gill, den Auftrag zur Erarbeitung eines Entwurfes für die Zentrale Wasserversorgung und Kanalisation der Stadt Schwerin.


1881
Ende 1881 legt Gill den generellen Entwurf dem Magistrat der Stadt Schwerin vor. Der Projektteil „Kanalisation“ wird, vorwiegend aus Kostengründen, abgelehnt. Das Teilprojekt Wasserversorgung wird angenommen und für eine spätere Bauausführung vorgesehen.


1887
Vorbereitung der Realisierungsphase durch das Satdtbauamt der für die Wasserversorgung und Kanalisation vorgeschlagenen Problemlösung. Die Detailprojektierung erfolgt unter aktiver Einflussnahme des nach Schwerin verpflichteten Hamburger Stadtbaumeisters Hübbe. Seitens des Magistrats wird das Mühlengehöft  Neumühle zwecks Errichtung der Wasserwerksanlagen als Eigentum erworben.


1888
Die Stadt Schwerin verfügt über 2031 Wohnhäuser in 104 Straßen mit einer Einwohnerzahl von rund 33.000. Die Wahl des Neumühler Sees für die Wasserversorgung (gute Wasserqualität und geodätische Lage) wird öffentlich bekannt gegeben.
Beginn der Bauarbeiten am Wasserwerk Neumühle. Fertigstellung von 4 Filterbecken (offene Langsamsandfilter in Freibauweise) und des Maschinistenwohnhauses im Rohbau.


1889
Auf dem Wasserwerksgelände in Neumühle werden das Maschinen- und Kesselhaus einschließlich der Montage zweier Dampfkessel und der dazugehörige Schornstein im Rohbau vollendet und das Maschinistenwohnhaus fertiggestellt. Die Montage der Pumpen beginnt. Am Neumühler See werden eine massive Einlaufkammer und die Zuführungsleitung von dort bis auf die einzelnen Filterbecken realisiert. Auf dem Weinberg entsteht der Wasserturm mit einem Wasserbehälter von 350m3


08. Juni 1890
Der regelmäßige Betrieb des Wasserwerkes beginnt mit der Versorgung der ersten angeschlossenen Häuser in der Voßstraße. Es werden weitere 6.450 m Hauptversorgungsleitung verlegt - damit beträgt die Rohrnetzlänge Ende 1890 insgesamt 14.775 m. Im Vorfeld wurde im Wasserwerk Neumühle ab Februar 1890 der Probebetrieb zunächst mit einer Zwillingsverbunddampfmaschine mit doppelt wirkender Pumpe begonnen. Zwei der vier offenen Langsamsandfilter wurden durch Kiesfüllung betriebsfertig hergestellt


1891
Bis Ende 1891 wird auch das 3. Filterbecken im Wasserwerk Neumühle in Betrieb genommen und die Rohrnetzverlegung im Stadtgebiet weitergeführt. Es werden bis zum Ende des Jahres 6.800 m Zuführungsleitung vom Wasserwerk bis an den Stadtrand, ca. 24.000 m Hauptversorgungsleitung im Stadtgebiet und ca. 1.800 Hausanschlüsse mit einer Gesamtlänge von 10.000 m montiert.


1892
Im Stadtgebiet werden weitere 4.000 m Hauptversorgungsleitung verlegt, so dass Ende des Jahres 2.100 Grundstücke an das zentrale Versorgungsnetz angeschlossen werden.


1898
Der letzte öffentliche Brunnen der Stadt wird zugeschüttet.


1902
Zu den 1890 in Betrieb genommenen, dampfbetriebenen 2 Kolbenpumpen wird im Jahr 1902 eine 3. Pumpe gleicher Leistung aufgestellt.


1905
Auswechselung einer im Jahr 1890 in Betrieb genommenen Pumpe wegen Verschleißerscheinungen. Erweiterung der vier Langsamfilterbecken um zwei zusätzliche Becken.


1914
Erweiterung der Dampfkesselanlage


1928
Um dem steigenden Wasserbedarf, vor allem in Spitzenzeiten, gerecht werden zu können, wird eine BAMAG-Schnellfilteranlage bei gleichzeitiger Stilllegung zweier von insgesamt sechs Langsamsandfiltern in Betrieb genommen. Aufbereitungsleistung nunmehr 17.600m3/Tag. Zudem wird der Dampfbetrieb in den Nachtstunden mit der Inbetriebnahme von drei mit Elektromotoren betriebenen Pumpen eingestellt. Länge des Rohrnetzes 68 Kilometer, 3.550 Wasserzähler, 1,7 Mill. m3 Jahreswasserabgabe.


1941
Der Wasserspiegel des Neumühler Sees sinkt dramatisch. Mussten 1928 ca. 50.000 Einwohner versorgt werden, so waren es 1944/45 nahezu 100.000 Einwohner.


1944
Trendberechnungen des max. Tagesbedarfs führen zur Inbetriebnahme einer offenen WABAG-Schnellfilteranlage bei gleichzeitiger Stilllegung eines weiteren Langsamsandfilters.


1944-1946
Beschaffung von drei Förderpumpen und eines Gebläses zur Reinigung der Schnellfilteranlagen. Bau einer Chloranlage, da trotz der Filter im Zuge der Seuchenbekämpfung dem Wasser Chlor zugefügt werden soll. Bau einer Reparaturwerkstatt und Bau von drei Notstromanlagen mit Notstromräumen für den Fall, dass bei der Elektrizitätsversorgung eine Störung auftreten könnte.


1945
Untersuchungs- und Projektarbeiten für ein zweites Wasserwerk werden auf Grund des dramatischen Anstiegs der Bevölkerung durchgeführt. Mit dem Bau wird 1947 begonnen.


1948
In Neumühle wird neben dem Seewasser erstmals auch Grundwasser entnommen.


1954
Inbetriebnahme des Wasserwerks in Schwerin-Gosewinkel, mit Wasser aus dem Medeweger See.


1970-1975
Modernisierungsarbeiten am Wasserwerk Neumühle, d. h. Verschrottung der Dampfmaschinenanlage, Schleifen der Langsamsandfilter. Durch die Verschrottung wird Platz für den Einbau einer Schaltzentrale im Alten Haupthaus, einer Transformatorenstation und der Ausbau von Aufenthalts- und Sozialräumen geschaffen.


1973
Der Wasserverbrauch in der DDR beträgt 120 Liter pro Kopf und Tag (privater Verbrauch).


1974
Die Druckerhöhungsstation auf dem Großen Dreesch entsteht. Das benötigte Wasser kann noch vom Wasserwerk Neumühle bereitgestellt und aufgearbeitet werden.


1979
Der Baufortschritt in Richtung Mueß und Consrade bedingt die Inbetriebnahme des Wasserwerks Pinnow. Hier wird erstmals ausschließlich Grundwasser aufbereitet. In den Altwasserwerken werden die Filteranlagen einer umfassenden Rekonstruktion unterzogen.


1989
Beendigung der Seewasserentnahme aus dem Neumühler See, von nun an wird nur noch Grundwasser entnommen.


10. Juni 1999
Inbetriebnahme des Wasserwerks Mühlenscharrn, das sein Wasser aus acht bis zu 90m tiefen Brunnen bezieht. Die Wasserwerke in Neumühle und Gosewinkel werden stillgelegt.